EKG Buch

Dieses Buch wurde unter der Schirmherrschaft des Wissenschaftlichen

Bei:

  • Professeur Jean-Jacques Goy

  • Docteur Pierre Christeler

  • Docteur Jürg Schläpfer

  • Docteur Jean-Christophe Stauffer

  • Übersetzung: Dr. med. Tobias Rutz

Das Buch ist in der folgenden Version verfügbar:

Copyright ©2016 Goyman SA und Autoren

Kardiovaskulären Fonds Freiburg realisiert

Herzrhythmusstörungen und Tachykardien

Vor dem Beginn mit der Beschäftigung mit Herzrhythmusstörungen sollten einige elektrophysiologische Grundlagen in Erinnerung gerufen werden.

Die Extrasystolen

Die Extrasystolen entsprechen der Aktivität eines ektopen Fokus. Eine Extrasystole ist als ein vorzeitiger Schlag im kardialen Zyklus definiert; sie nimmt ihren Ausgang von irgendeinem Punkt des Myokards außerhalb des Sinusknotens aufgrund einer erhöhten Automatizität, eines Mikro-Reentrys oder einer getriggerten Aktivität (Nachdepolarisation). Der Ursprung einer Extrasystole kann atrial, nodal oder ventrikulär sein. Die elektrokardiographische Morphologie ist entsprechend charakteristisch.

Zusätzlich definiert der Zeitpunkt des Auftretens die Extrasystole und entsprechend kann der Grundrhythmus gestört werden.

Die Extrasystolen sind charakterisiert durch ihre Morphologie, welche vom Ursprung und dem Zeitpunkt des Auftretens während des Herzzyklus abhängt.

Supraventrikuläre Extrasystolen

Im EKG zeichnet sich die supraventrikuläre Extrasystole durch eine vorzeitige P’-Welle aus, deren Morphologie variabel ist abhängig vom Ursprung in den Vorhöfen.

Wenn der ektope Fokus nahe am Sinusknoten ist, breitet sich die Erregung gleich dem eines Sinusknotenimpuls aus und die P’-Welle ähnelt stark der Sinusknoten-P-Welle. Im Falle eines Ursprung in der Nähe des AV-Knotens breitet sich die Erregung in umgekehrter Richtung der normalen Erregung mit negativen P’-Wellen in den inferioren Ableitungen II, III und aVF aus.

Ein Fokus im mittleren Teil der Vorhöfe erregt diese simultan nach kranial und kaudal, welches einer biphasigen P’-Welle entspricht. Eine negative P’-Welle in den Ableitungen I und aVL spricht für einen Ursprung im linken oberen Vorhof.

Vorhofextrasystole, vorzeitige P’-Welle.
Atriale Extrasystole: Die Morphologie der P’-Welle hängt von der Lokalisation des ektopen Fokus ab. Wenn die Extrasystole aus dem linken Vorhof kommt, ist die P’-Welle negativ in I und aVL; im Falle eines Ursprungs aus dem basalen rechten Vorhof ist sie negativ in II, III und aVF; bei einem Ursprung aus der Mitte des rechten Vorhofs ist die P’-Welle biphasisch in II, III und aVF.

In der Regel wird eine Erregung einer supraventrikulären Extrasystole auf die Ventrikel mit einem schmalem QRS-Komplex übertragen. Wenn die atriale Extrasystole sehr früh in die absolute Refraktärperiode einfällt, wird diese blockiert, d.h. die Erregung nicht übertragen. Die P’-Welle bleibt isoliert und wird nicht von einem QRS-Komplex gefolgt. Allerdings tritt eine Pause auf, bis sich der durch die retrograde Erregung depolarisierte Sinusknoten erholt hat. Diese Art von Extrasystolen ist teilweise schwierig zu erkennen, da die P’-Welle in der T-Welle versteckt sein kann. Wenn die Extrasystole später einfällt und der AV-Knoten sich in der relativen Refraktärperiode befindet, kann die Überleitung auf die Kammern lediglich verlängert sein, welches einem verlängerten P’R-Intervall entspricht, gefolgt von einem schmalen QRS-Komplex. Nach Passage des His-Bündels kann die Erregung noch in einem der Tawara-Schenkel blockiert werden, welches zu einer Verbreitung des QRS-Komplexes führt.

Linksseitige atriale Extrasystolen (P’-Wellen negativ in I und aVL). Man erkennt, dass die vorzeitige P’-Welle die T-Welle modifiziert. Außerdem ist aufgrund der Vorzeitigkeit das PQ-Intervall verlängert. Dies liegt an der Verlangsamung der Überleitung in dem AV-Knoten. Der QRS-Komplex, welcher der Extrasystole folgt, ist leicht verändert, da eine leichte Erregungsausbreitungstörung in den His-Bündeln besteht.
Der erste Herzzyklus auf der linken Seite kommt vom Sinusknoten, er wird gefolgt von zwei atrialen Extrasystolen, die erste wird mit einem verlängerten PQ-Intervall übergeleitet, die zweite blockiert.
Der Grundrhythmus ist ein Sinusrhythmus mit einer Frequenz von 60/min. Der zweite Schlag von links ist eine atriale Extrasystole aus dem rechten Vorhof, charakterisiert durch die Morphologie und die elektrische Achse sowie einer aberranten Überleitung vom Typ eines linksanterioren Hemiblocks mit einer Verlängerung des PQ-Intervalls. Beim vorletzten Komplex in den präkordialen Ableitungen handelt es sich ebenfalls um eine atriale Extrasystole mit aberranter Überleitung und Rechtsschenkelblockmorphologie.
Atriale Extrasystolen aus dem rechten Vorhof als Bigeminus.

Ventrikuläre Extrasystolen

Die Erregung einer ventrikulären Extrasystole breitet sich außerhalb der physiologischen Erregungsbahnen über das Myokardgewebe mit einer langsamen Geschwindigkeit aus. Aus diesem Grund ist der QRS-Komplex verbreitert mit einer Dauer über 120 ms. Die Morphologie ist sehr variabel, da sie von der Lokalisation des ektopen Fokus abhängt, welcher sich an jedem Ort des Ventrikelmyokards befinden kann. Der Ursprung einer ventrikulären Extrasystole kann nur ungefähr bestimmt werden.

Ventrikuläre Extrasystolen.

Eine linke ventrikuläre Extrasystole beginnt mit der Aktivierung des linken Ventrikels und die Erregung breitet sich über das Septum auf den rechten Ventrikel aus. Die Ausbreitung findet etwa auf gleichem Wege wie bei einem Rechtsschenkelblock statt, daher ähnelt der QRS-Komplex der Morphologie eines solchen Blocks (prominentes R in V1). Umgekehrt hat eine Extrasystole aus dem rechten Ventrikel in etwa die Morphologie eines Linksschenkelblocks (prominente S-Zacke in V1).

Die Extrasystolen mit einer überdrehten rechten Achse und einer Morphologie der Linksverzögerung in den präkordialen Ableitungen haben ihren Ursprung in der infundibulären Gegend, d.h. im rechtsventrikulären Ausflusstrakt. Sie haben in der Regel eine benigne Prognose, solange eine rechtsventrikuläre Dysplasie ausgeschlossen wurde. Polymorphe Extrasystolen hingegen sind suggestiv für ein pathologisches Myokard, häufig im Kontext einer ischämischen Kardiomyopathie.

Häufig ist das Intervall nach einer Extrasystole verlängert, man spricht von einer “kompensatorischen Pause”, d.h. das Intervall zwischen den beiden Sinusschlägen vor und nach der Extrasystole entspricht in etwa dem doppelten RR-Intervall des Grundrhythmus. Die ventrikuläre Extrasystole hat den basalen Sinusrhythmus nicht gestört. Sie hat lediglich die Überleitung einer P-Welle verhindert, da sich durch sie die physiologischen Leitungsbahnen im refraktären Zustand befanden.

Die Extrasystole kann auch dazuführen, dass ein normaler Sinusschlag ersetzt wird, in diesem Fall ist das RR-Intervall zwischen der Extrasystole und dem Sinusschlag gleich dem RR-Intervall des Grundrhythmus. In einem anderen Fall kann die Extrasystole auch lediglich zwischen zwei Sinusschlägen gelegen sein, ohne den Sinusrhythmus zu stören.

Die Extrasystolen treten meist unregelmäßig auf, seltener regelmäßig: Wenn eine Extrasystole jeweils einem Sinusschlag folgt, spricht man von einem Bigeminus, von einem Trigeminus wird gesprochen, wenn zwei Extrasystolen jeweils einem Sinusschlag folgen. Die Extrasystolen können auch repetitiv sein, ein “Couplet” entspricht zwei aufeinanderfolgenden Extrasystolen, ein Triplet entsprechend drei aufeinanderfolgenden. Drei oder mehr aufeinanderfolgende Extrasystolen werden als Salve einer nichtanhaltenden ventrikulären Tachykardie bezeichnet (, und ).

Ventrikuläre 2:1 - Extrasystolie mit einer rechten elektrischen Achse und der Morphologie eines Rechtsschenkelblocks.
Couplets von ventrikulären Extrasystolen mit einer rechten elektrischen Achse. Sie entstehen im rechtsventrikulären Ausflusstrakt.
Polymorphe ventrikuläre Extrasystolen, bigeminiform mit Salven von Kammertachykardien, gut sichtbar in den präkordialen Ableitungen.